Nachdem wir den Auftrag erhielten eine Erörterung zu schreiben wählte ich, in Anlehnung an gestrigen Beitrag und dem kürzlich gelesenen Ausschnitt von Arno Schmidt, den Ausspruch
"Mein Leben?! : ist keine Kontinuum! als Thematik. In der zur Verfügung stehenden Lektion entstand dann folgender Text:
Mein Leben?! : ist kein Kontinuum!Arno Schmidt, zeitlebens ein kritischer Betrachter seiner Umwelt; mathematikinteressierter Literat, stellt zu Beginn eines seiner grossen Werke (aus dem Lebens eines Fauns) mit dem Ausspruch
"Mein Leben?! : ist keine Kontinuum" und dem anbeienen Abschnitt klar, wo er sich und sein "Ich" positioniert: In einer gänzlich determinierten Welt, in der man lediglich als eine Summe der Situation 'Ich' sein kann; in einem Weltgebilde, in dem das Individuum zu nicht mehr als einem "Tablett voll glitzernder Snapshots" verkommt. Inwiefern darf oder kann dieser Seinskonstruktion Wahrheitsgehalt beigemssen werden und was hätte eine solche Denkensart für Folgen auf das Leben?
Der grösste Einwand gegen ein solches Denken wäre wohl, dass das Leben, das wir als ein 'Ich' leben stets auch mit einem 'Ich-Gefühl' verbunden ist. Ein Mensch hat sozusagen seinen roten Faden im Leben, dem er beständig folgen muss, da es ja sein unumgängliches 'Ich' ist, welches auch in kleinen Selbstrevolutionen nur verleugnet, nicht aber umgangen werden kann.
Diesem mächtigen Argument ist entgegenzuhalten, dass wir Menschen als ein der Erinnerung mächtiges Wesen ebendiese Erinnerung stets als einen Jetztfaktor betrachten müssen. Der rote Faden verkommt hierbei zu einem Fadenknäuel (immerfort anwachsend!), den wir beständig mit uns mittragen müssen. Zu vergleichen ist dies etwa mit einem Goldfisch. Dieses Tier, das lediglich über ein Dreisekundengedächtnis verfügt, besitzt keine individuelle Ichheit, die ihm anzumerken sei (nach zeitungezähltem Beobachten), sondern leben ohne diesen 'Erinnerungskoloss', aber leben. Wir Menschen dementgegen vertäuschen unser Situationsich mit dem vermeintlichen Ich, welchem man gerecht zu werden hat. Dementsprechend wären wir somit nicht 'ich', sondern nur etwas, das wir als Menschabhängigkeit sein müssen.
Gerade mit diesem eigentlich entbehrlichen (als Nurmensch und nicht Istmensch) 'Erinnerungskoloss' verbleibt ein 'Ich' somit auf dem Status: Summe der Situation.
Spitzfindig religiös Angehauchte mögen dem entgegenbringen, dass die Seele eine ewig beständige Instanz sei, die nicht nur eine Summe der Situation sein kann, da ein Ewiges auch ausserhalb der Ichformenden Situation ein ich darstellt.
Es steht aber ausser Frage, dass eine solche 'ewige Seele' ein ledigliches Glaubensmodell ist, ohne stichhaltigen Beweis. und entsprechend als nicht mehr als eine Eventualität anzusehen ist. Sollte eine ewige Seele jedoch existieren, stellt sich die Frage, warum soeine eine verwerdende welt wie die unsre überhaupt betreten solle; die Wesensformung während dem hierniedenen aufhalten kann, sofern diese also existieren müsse, nicht verleugnet werden. Was will ein Ewiges gebildet werden und kann es dies in einer Vergänglichkeit überhaupt?
Die für mich mit einem klaren Nein zu beantwortende Frage lässt mich zum Schluss kommen, dass ein ich als etwas beständiges nicht existiert. Ich unerstütze die Ansicht, dass wir in keinem Fall mehr sein können als das, was die Situation von uns erabfordert.
Daraus folgern sich mir Fragen wie:
Wenn ich also lediglich im jetzt ein 'Ich' darstelle, das fassbar wäre und im nach-/vorjetzt ein total anderes 'Ich' bin (sofern man den 'Erfahrungskoloss' als entbehrlich betrachtet (was der soziale Integration nicht förderlich wäre)), inwiefern ist es dann sinnvoll Lebensziele, die von einem solchen Vorich gesetzt wurden weiterhin zu bestreben, und inwiefern soll ich mir jetzt Ziele setzen? Wie kann ich mich mit Erwartungen in eine Diskussion stürzen, eins trinken gehn, die Virtualität betreten,..., wenn die Erwartungen der Situation entsprechend genichtigt werden könnten? Wie soll ich mich meines Zwangsichs befreien um das wahre Ich, als ein permanennter Wandel, ausleben zu können?
Leider war die Zeit, und so auch diese Erörterung, begrenzt. Da mich diese Thematik zurzeit aber gerade beschäftigt werden Vertiefungen sicher noch folgen.